Weltärztebund

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DEKLARATION VON LISSABON zu den Rechten des Patienten

verabschiedet von der
34. Generalversammlung des Weltärztebundes in Lissabon, Portugal, Sep./Okt.1981
und revidiert von der
47. Generalversammlung des Weltärztebundes in Bali, Indonesien, September 1995
und revidiert von der
171. Tagung des Rates, Bali, Indonesien, Oktober 2005


PRÄAMBEL

Das Verhältnis zwischen Ärzten, ihren Patienten und der Gesellschaft hat sich in letzter Zeit erheblich geändert. Ein Arzt sollte immer seinem Gewissen folgen und dem Wohl des Patienten dienen, zugleich müssen jedoch die Unabhängigkeit und die Rechte des Patienten gleicher­maßen gewährleistet werden. Die folgende Deklaration enthält einige der Grundrechte des Patienten, die die Ärzteschaft unterstützt und fördert. Ärzte und andere Personen oder Institutionen, die mit der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung betraut sind, haben eine gemeinsame Verantwortung, diese Rechte anzuerkennen und zu wahren. Wenn Patienten diese Rechte durch Rechtsvorschriften, Maßnahmen der Regierung, der Verwaltungsorgane oder anderer Einrichtungen verwehrt werden, sollten Ärzte zur Sicherstellung oder Wiederherstellung dieser Rechte geeignete Maßnahmen ergreifen.

GRUNDSÄTZE

  1. Das Recht auf qualitativ hochstehende ärztliche Versorgung
  1. Jeder, ohne Unterschied, hat ein Recht auf angemessene ärztliche Versorgung.
  2. Jeder Patient hat das Recht auf medizinische Versorgung durch einen Arzt, der seine medizinischen und ethischen Entscheidungen frei und ohne Einmischung von außen treffen kann.
  3. Die Behandlung soll immer im Einklang mit seinen wohlverstandenen Interessen erfolgen. Sie soll im Einklang mit allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen stehen.
  4. Qualitätssicherung sollte immer Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung sein. Insbesondere die Ärzte sollten die Verantwortung für die Überwachung der Qualität der medizinischen Dienstleistungen übernehmen.
  5. In den Fällen, wo für eine spezielle Behandlung, die nur in begrenztem Maße zur Verfügung steht, unter mehreren Patienten eine Auswahl getroffen werden muss, haben all diese Patienten das Recht auf ein faires Auswahlverfahren für diese Behandlung. Diese Auswahl muss auf medizinischen Kriterien beruhen und darf niemanden diskriminieren.
  6. Der Patient hat ein Recht auf Kontinuität der ärztlichen Versorgung. Der Arzt hat die Pflicht, bei der Koordinierung der medizinisch angezeigten Versorgung mit anderen den Patienten behandelnden Leistungserbringern im Gesundheitssystem zusammenzuarbeiten. Solange eine Weiter­behandlung des Patienten medizinisch notwendig ist, darf der Arzt diese Behandlung nicht abbrechen, ohne dem Patienten angemessene Hilfe zu leisten und ihm ausreichend Gelegenheit gegeben zu haben, sich um eine anderweitige Behandlung zu kümmern.
  1. Recht auf freie Arztwahl
  1. Der Patient hat das Recht, seinen Arzt, das Krankenhauses oder die medizinische Einrichtung frei zu wählen bzw. zu wechseln, ungeachtet dessen, ob es sich um öffentliche oder private Einrichtungen handelt.
  2. Der Patient hat das Recht, jederzeit die Meinung eines anderen Arztes einzuholen.
  1. Recht auf Selbstbestimmung
  1. Der Patient hat ein Recht auf Selbstbestimmung, d.h. auf freie Entscheidung in bezug auf seine Person. Der Arzt soll den Patienten über die Folgen seiner Entscheidungen informieren.
  2. Ein geistig zurechnungsfähiger erwachsener Patient hat das Recht, in jedes diagnostische Verfahren oder jede Therapie einzuwilligen oder diese abzulehnen. Der Patient hat ein Recht, die für seine Entscheidungen notwendigen Informationen zu erhalten. Für den Patienten sollte klar verständlich sein, worin der Zweck einer Diagnose oder einer Behandlung besteht, welche Bedeutung die Ergebnisse haben und was die Konsequenzen einer ablehnenden Entscheidung sein würden.
  3. Der Patient hat das Recht, die Mitwirkung an der Forschung oder der medizinischen Lehre abzulehnen.
  1. Der bewußtlose Patient
  1. Wenn der Patient bewußtlos oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, seinem Willen Ausdruck zu geben, muss die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach fachgerechter Aufklärung eingeholt werden, soweit dies immer möglich ist.
  2. Falls ein gesetzlicher Vertreter nicht erreichbar, ein medizinischer Eingriff aber dringend erforderlich ist, kann die Einwilligung des Patienten unterstellt werden, es sei denn, dass es aufgrund vorheriger, eindeutiger Erklärung oder Überzeugung des Patienten offensichtlich und ohne Zweifel ist, dass er seine Zustimmung zu einem Eingriff in dieser Situation verweigern würde.
  3. Ärzte sollten jedoch immer versuchen, das Leben eines nach einem Selbstmordversuch bewußtlosen Patienten zu retten.
  1. Der nicht geschäftsfähige Patient
  1. Wenn der Patient minderjährig oder aus anderen Gründen nicht geschäftsfähig ist, ist die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters erforderlich, soweit rechtserheblich. Jedoch muss der Patient weitmöglichst in die Entscheidungsfindung einbezogen werden wie dies seine Urteilsfähigkeit erlaubt.
  2. Soweit der nicht geschäftsfähige Patient rationale Entscheidungen treffen kann, müssen diese respektiert werden, und er hat das Recht, die Weitergabe von Informationen an seinen gesetzlichen Vertreter zu untersagen.
  3. Wenn der gesetzliche Vertreter oder der vom Patienten Bevollmächtigte einer Behandlung widerspricht, die nach Meinung des Arztes zum Wohle des Patienten notwendig ist, dann sollte der Arzt die Entscheidung eines zuständigen Gerichtes oder einer anderen Institutionen herbeiführen. Im Notfall soll der Arzt im wohlverstandenen Interesse des Patienten handeln.
  1. Verfahren gegen den Willen des Patienten
  1. Diagnostische Verfahren oder Behandlungen gegen den Willen des Patienten dürfen nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden und nur, wenn dies ausdrücklich gesetzlich zulässig ist und den Grundsätzen ärztlicher Ethik entspricht.
  1. Das Recht auf Information
  1. Der Patient hat ein Recht auf Kenntnisnahme aller ihn betreffenden Informationen, die in seinen Krankenakten festgehalten sind, und auf umfassende Informationen über seinen Gesundheitszustand einschließlich der medizinischen Befunde.
    Vertrauliche Informationen in den Krankenakten des Patienten über eine dritte Person dürfen jedoch nicht ohne Zustimmung dieser dritten Person an den Patienten weitergegeben werden.
  2. In Ausnahmefällen können Informationen dem Patienten vorenthalten werden, wenn es triftige Gründe zu der Annahme gibt, dass diese Informationen zu einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Patienten führen würden.
  3. Informationen müssen dem Patienten entsprechend den regionalen Gepflogenheiten so gegeben werden, dass sie für ihn verständlich sind.
  4. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hat der Patient das Recht, nicht informiert zu werden, es sei denn, dass die Informationen zum Schutz des Lebens einer anderen Person erforderlich sind.
  5. Der Patient hat das Recht zu wählen, wer gegebenenfalls an seiner Stelle informiert werden soll.
  1. Recht auf Vertraulichkeit
  1. Alle identifizierbaren Informationen über den Gesundheits- bzw. Krankheitszustand, Diagnose, Prognose und Behandlung des Patienten sowie alle anderen Informationen persönlicher Natur müssen, auch nach dem Tod des Patienten, vertraulich behandelt werden. In Ausnahmefällen können Nachkommen das Recht auf Zugang zu Informationen haben, die in bezug auf gesundheitliche Risiken für sie von Bedeutung sind.
  2. Vertrauliche Informationen können nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten oder aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung weitergegeben werden. Informationen können an andere Leistungserbringer des Gesundheitssystems nur auf einer strikten Basis des "wissen müssen" weitergegeben werden, es sei denn, der Patient hat zuvor seine ausdrückliche Zustimmung gegeben.
  3. Alle identifizierbaren Patientendaten müssen geschützt werden. Der Datenschutz muss durch eine geeignete Datenspeicherung sichergestellt sein. Menschliche Substanzen, aus denen identifizierbare Daten abgeleitet werden können, müssen ebenfalls geschützt werden.
  1. Recht auf Gesundheitserziehung
    Jeder hat das Recht auf Gesundheitserziehung, die es ihm ermöglicht, eigenständige Entscheidungen über seine persönliche Gesundheit und die zur Verfügung stehenden medizinischen Dienstleistungen zu treffen. Die Gesundheitserziehung sollte Informationen über gesunde Lebens­führung, Methoden der Prävention und Krankheitsfrüherkennung umfassen. Die Eigenverantwortung eines jeden für seine Gesundheit sollte herausgestellt werden. Ärzte haben die Verpflichtung, sich aktiv an Bemühungen zur Gesundheitserziehung zu beteiligen.
  1. Das Recht auf Würde
  1. Die Würde und das Recht auf Privatsphäre des Patienten sollen bei der medizinischen Betreuung und Lehre jederzeit respektiert werden, ebenso wie seine kulturellen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen.
  2. Der Patient hat ein Recht auf Linderung seiner Leiden nach dem neuesten Stand medizinischer Kenntnisse.
  3. Der Patient hat ein Recht auf eine menschenwürdige Sterbebegleitung und auf alle zur Verfügung stehende Hilfe, damit der Sterbevorgang so würdevoll und so erträglich wie möglich erfolgen kann.
  1. Das Recht auf religiösen Beistand
    Der Patient hat ein Recht geistigen und moralischen Beistand zu erhalten oder abzulehnen; dies schließt das Recht auf den Beistand eines Geistlichen der Konfession seiner Wahl ein.
© 1981-2005, WMA The World Medical Association (WMA) , überarbeiteter Text basierend auf der Übersetzung der Bundesärztekammer von 1995


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